Der Stadtkurs

Ich habe noch nie so vie­le Schü­ler mit so vie­len qua­li­ta­ti­ven Fra­gen auf ein­mal gehabt.“
Ober­bür­ger­meis­ter Alex­an­der Ahrens über den Stadt­kurs 12 (2016)

Jedes Jahr ent­schei­den sich eini­ge Schü­ler dazu, im Kurs­sys­tem den “Fächer­über­grei­fen­den Wahl­grund­kurs Stadt”, den es nur am Schil­ler-Gym­na­si­um gibt,  zu besu­chen. Doch was ver­steckt sich eigent­lich hin­ter die­ser wohl­klin­gen­den Bezeich­nung?

Der “Stadt­kurs”, wie die zwei Wochen­stun­den kurz von Leh­rern und genannt wer­den, befasst sich zunächst mit der Ent­wick­lung und Geschich­te der Stadt Baut­zen. Zum theo­re­ti­schen Unter­richt, in dem Tex­te, Bil­der, Stadt­plä­ne und ande­res Mate­ri­al unter­sucht und aus­ge­wer­tet wer­den und in wel­chem die bereits bekann­te deut­sche Geschich­te auf unse­re Hei­mat­stadt ange­wandt und ver­tieft wird, kom­men zahl­rei­che Exkur­sio­nen und Besich­ti­gun­gen, die uns an his­to­ri­sche Schau­plät­ze oder in inter­es­san­te Aus­stel­lun­gen füh­ren.

Was pas­siert nun in den zwei Jah­ren? In der 11. Klas­se begin­nen wir uns mit den natur­räum­li­chen Beson­der­hei­ten und der his­to­ri­schen Ent­wick­lung der Stadt Baut­zen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Wir fra­gen, woher z. Bsp. Trink­was­ser und Roh­stof­fe kom­men und wohin Müll und Abwas­ser ver­schwin­den, Aber auch nach dem tou­ris­ti­schen Poten­ti­al unse­res Natur­raums, wann und wie die Ober­lau­sitz zuerst besie­delt wur­de und wie sich aus losen Sied­lun­gen schließ­lich kom­men unse­re Hei­mat­stadt an der Via Regia ent­wi­ckel­te. Zur Beant­wor­tung die­ser Fra­gen besu­chen wir das Muse­um Baut­zen. Außer­dem führt uns eine Exkur­si­on durch den Hum­bold­thain. Wer weiß schon vom sla­wi­schen Wall, der Wäsche­blei­che, Exer­zier­platz, Flug­platz, Mili­tär­bad, Bis­marck­denk­mal, Natur­thea­ter, Spre­e­be­gra­di­gung und dem Stif­ter Neu?

Der his­to­ri­sche Exkurs behan­delt das Wach­sen der mit­tel­al­ter­li­chen Stadt, die Sta­gna­ti­on der Stadt­ent­wick­lung durch Krie­ge von den Hus­si­ten­an­grif­fen bis Napo­le­on und dann die groß­ar­ti­ge Stadt­ent­wick­lung unter dem OB Dr. Kauebler im Zusam­men­hang mit der Indus­tria­li­sie­rung.

Zu Beginn des 2. Halb­jah­res beginnt dann die Pro­jekt­ar­beit, des­sen Ergeb­nis­se im fol­gen­den Janu­ar im Rah­men der Vor­trags­rei­he des Archiv­ver­bun­des Baut­zen Öffent­lich­keit prä­sen­tiert wer­den. Das  Inter­net hilft in unse­ren Recher­chen nur begrenzt wei­ter, wes­halb wir eine Ein­füh­rung in die Archiv­ar­beit erhal­ten, um dann ziel­ge­rich­tet in ver­gilb­ten Akten oder Zei­tun­gen zu stö­bern auf der Suche  nach inter­es­san­ten Infor­ma­tio­nen und sich durch alte Schrif­ten zu quä­len. Die Archiv­mit­ar­bei­te­rin­nen Frau Mosch­ke und Frau Wink­ler ermun­tern und hel­fen jeder­zeit, genau wie die evtl. gefun­de­nen Zeit­zeu­gen.  Dafür ist es ein tol­les Gefühl, wenn sich die Puz­zle­tei­le end­lich zusam­men­fü­gen uns wir ein Stück bis­her unbe­kann­te Geschich­te schrei­ben! Unse­re Ergeb­nis­se fass­ten wir in schrift­li­cher Form als Kom­ple­xe Leis­tung zusam­men und berei­ten die Prä­sen­ta­ti­on vor.

Die Klas­se 11 endet mit Baut­zen als Gar­ni­si­ons-und Gefäng­nis­stadt. Dazu gehört ein Besuch in der JVA — dem bekann­ten “Gel­ben Elend”- und einer Exkur­si­on durch die ehe­ma­li­ge Kaser­nen­land­schaft der Stadt Baut­zen unter dem The­ma Nut­zungs­wan­del und Wohn­raum.

Auf den Spu­ren der Ontex-Geschich­te 2018

In der 12. Klas­se beschäf­ti­gen wir uns mit  der Stadt­ent­wick­lung nach dem II. Welt­krieg aus geo­gra­fi­scher Sicht. Wir unter­su­chen, wel­che Fol­gen die demo­gra­phi­schen Ver­än­de­run­gen auf die ein­zel­nen Stadt­funk­tio­nen haben und beschäf­ti­gen uns mit Wohn- und Lebens­be­din­gun­gen in Städ­ten. Eine Exkur­si­on führt uns durch das Wohn­ge­biet Gesund­brun­nen in das Mehr­ge­nera­tio­nen-haus, wo wir erkun­den, wie der Fil­te­ring down –Pro­zess ver­hin­dert wer­den kann. Eine ande­re Exkur­si­on wid­me­te sich dem Struk­tur­wan­del der Wirt­schaft.
Wäh­rend unse­rer Zeit im Stadt­kurs ver­folg­ten wir gespannt die Wahl des Ober­bür­ger­meis­ters und zu unse­rer Freu­de folg­te Alex­an­der Ahrens sogar unse­rer Ein­la­dung zu einer Gesprächs­run­de. Vie­le bri­san­te The­men wie die Ver­kehrs­si­tua­ti­on, der leer ste­hen­de Bahn­hof oder die neu­es­ten Bau- und Gestal­tungs­plä­ne der Stadt wur­den dabei zur Spra­che gebracht. Wir frag­ten, kri­ti­sier­ten und lausch­ten gespannt den Aus­füh­run­gen unse­res Ober­bür­ger­meis­ters. Die­ses Gespräch hat bei uns auf jeden Fall einen blei­ben­den Ein­druck hin­ter­las­sen und uns als der Baut­zener Jugend eine neue Per­spek­ti­ve zur Um- und Mit­ge­stal­tung unse­rer Hei­mat gezeigt. Auch der Bür­ger­meis­ter zeig­te sich erfreut über so vie­le Ide­en und Fra­gen und lob­te uns mit obi­gen Wor­ten.

Letzt­end­lich ist kein Stadt­kurs wie der ande­re, weil  das jewei­li­ge Pro­jekt und die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen in unse­rer Stadt einen star­ken Ein­fluß haben.

Wir dan­ken allen, die uns Besich­ti­gun­gen ermög­li­chen und/oder als Gesprächs­part­ner zur Ver­fü­gung ste­hen bzw. Anre­gun­gen geben!

Wenn es dem Stadt­kurs gelun­gen ist, Inter­es­se und  Begeis­te­rung für die his­to­ri­sche und aktu­el­le Ent­wick­lung unse­rer Hei­mat zu ent­fa­chen und in die Welt zu tra­gen und für ein Stu­di­um hilf­rei­che Arbeits­tech­ni­ken zu erler­nen, dann hat er sein Ziel erreicht!

Mar­le­en Schind­ler 2016, ergänzt durch U. Wie­zo­rek 2018

In der ehe­ma­li­gen Husa­ren­ka­ser­ne 2017

Übersicht zu den Projektthemen der Stadtkurse

Schul­jahrThe­menProjektpartner/ För­de­rung
2002/03Höhe­punk­te der Stadt­ent­wick­lung im Mit­tel­al­ter 
2003/04natür­li­che Grund­la­gen, Per­sön­lich­kei­ten der Stadt­ge­schich­te 
2004/05Napo­le­on in der Ober­lau­sitz, Flug­platz am Hum­bold­thain, Han­del in Schüler‑, Wend. Str., Braue­rei­ge­schich­teVer­ein ALTSTADT Baut­zen e.V.
2005/06Geschich­te des Baut­zener Rolands, Post­ge­schich­te, 160 Jah­re Eisen­bahn­via­dukt, Foto­aus­stel­lung Baut­zen 1945–2005Ver­ein ALTSTADT Baut­zen e.V.
2005/06Gewerk­schafts­ge­schich­te Baut­zens, Tafel­aus­stel­lungJugend­pro­gramm Zei­ten­sprün­ge, Stu­den­ten der TUD, DGB Baut­zen
2006/07Geschich­te der Was­ser­ver­sor­gung Baut­zensEner­gie- und Was­ser­wer­ke, Ver­ein ALTST.
2007/08Geschich­te des Schil­ler-Gym­na­si­umsJugend­pro­gramm Zei­ten­sprün­ge, Ver­ein
2008/09Geschich­te der Gas­ver­sor­gung Baut­zensEner­gie- und Was­ser­wer­ke, Ver­ein ALTST.
2009/10Spu­ren jüdi­schen Lebens in Baut­zenStadt­mu­se­um Baut­zen, Bosch-Stif­tung
2010/11100 Jah­re Land­rats­amts­ge­bäu­de 
2011/12100 Jah­re Pes­ta­loz­zi­schu­le 
2012/1350 Jah­re Was­ser­werk SdierZweck­ver­band Fern­was­ser­ver­sor­gung
2016Flücht­lin­ge und Ver­trie­be­ne am Ende des II. Welt­krie­ges in BZArchiv­ver­bund Baut­zen, Aus­län­der­be­auf­trag­te Frau Mali­now­s­ka
2016/17Der Ers­te Welt­krieg in Baut­zenArchiv­ver­bund Baut­zen
2018Unter­neh­mens­ge­schich­te Baut­zener Betrie­be

Nach­zu­hö­ren unter:
https://soundcloud.com/saekbautzen/wendegeschichten-ein-projekt-mit-folgen
Archiv­ver­bund Baut­zen

Besondere Lernleistungen, die aus der Projektarbeit hervorgegangen sind:

15. Januar 2019 Steinhaus – weit über 100 Interessierte folgen der Präsentation des Stadtkurses

Eine inten­si­ve Arbeit im Archiv, Frust über Akten mit wenig Aus­sa­ge­kraft, Glück über gefun­de­ne Quel­len und Zeit­zeu­gen, Ter­mi­ne fin­den, span­nen­de Inter­views füh­ren, die Ergeb­nis­se für kom­ple­xen Leis­tung struk­tu­rie­ren und schrift­lich nie­der­le­gen – das ist fast ein Jahr Arbeit vor der hei­ßen Pha­se zwi­schen Herbst – und Weih­nachts­fe­ri­en. Da hieß es, das müh­sam Erforsch­te so zu kür­zen, dass in maxi­mal zehn Minu­ten das Span­nends­te und Berüh­rends­te aus einer oft jahr­zehn­te­lan­ger Unter­neh­mens­ge­schich­te  erzählt und in der Power­point (Dank an Franz) prä­sen­tiert wird. Unzäh­li­ge Tas­sen Heiß­ge­tränk und Nasche­rei­en waren zur Auf­recht­erhal­tung der Kon­zen­tra­ti­on in der 7./8. Stun­de nötig, bis alle schar­fen, aber kon­struk­ti­ven Kri­ti­ken der Schü­ler  am Inhalt, den Foli­en und der Vor­trags­wei­se ein­ge­ar­bei­tet waren.

Dazu kam noch die Wer­bung – Salo­me hat 4 Pla­ka­te ent­wor­fen, für das Falt­blatt des Archiv­ver­bun­des muss­te der Text und ein Bild ein­ge­reicht wer­den und letzt­lich befrag­te uns Frau Schön­bach für einen Arti­kel in der SZ.

In die­ser Pha­se hat trotz extre­mer Arbeits­be­las­tung nie­mand die Ner­ven ver­lo­ren, weil wir uns auf­ein­an­der ver­las­sen konn­ten und die Kom­mu­ni­ka­ti­on funk­tio­niert hat.

Ver­gan­ge­nen Diens­tag haben Schü­ler die Unternehmensgeschichte(n) vor­ge­tra­gen – selbst­be­wusst, char­mant und mit Herz­blut, was das Publi­kum genau­so reflek­tiert hat. Man­chen stan­den die Trä­nen in den Augen, als sie Bil­der ihrer alte Arbeits­stät­te sahen. Vie­le haben die Taschen von Inter­mod oder Lei­nenz­wirn  und –tücher  im Ori­gi­nal bestaunt. Unse­re Arbeit hat gro­ße Aner­ken­nung gefun­den! Wir bedan­ken uns beim Archiv­ver­bund, den Zeit­zeu­gen und dem Stein­haus für die tol­le Unter­stüt­zung, ich bin stolz auf den 12er Stadt­kurs! (U. Wie­zo­rek)

Ner­vo­si­tät weg­lä­cheln
Der Stadt­kurs bedankt sich bei den Zeit­zeu­gen.
Geschafft!
Blick ins Publi­kum